Energy, Nuclear Energy, Schweiz

Befürworter der Atomenergie glauben die Argumente der Gegner

Die Exponenten der Gegner der Nutzung der Atomenergie, in den Thinktanks/NGO, der Politik und in der Wissenschaft haben die Deutungshoheit in der Atomthematik in der Schweizer Gesellschaft – weit über die traditionell links-grünen Kreise hinaus.

Nichts belegt das besser, als das Interview in den Medien des Tagesanzeigerverlags mit dem Zürcher FDP-Präsidenten Hans-Jakob Boesch, der den Antrag zuhanden der FDP-Delegiertenversammlung vom kommenden Samstag gestellt hat, das Kernkraftverbot in der Schweizer Gesetzgebung aufzuheben.

„Ob in zehn oder zwanzig Jahren als Ersatz neue Kernkraftwerke gebaut werden, hängt davon ab, wie sich diese Technologie punkto Sicherheit, Abfall und Wirtschaftlichkeit entwickelt und welche Alternativen dann zur Verfügung stehen.“

Der Zürcher FDP-Präsident hat – wie ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung – ganz offensichtlich die Argumente der Atomenergiegegner verinnerlicht; er glaubt sie. Kein Wunder: Wir haben sie lange genug gehört. Dies ist nicht nur die ständige Botschaft der Antiatom-Lobby, sondern auch die offizielle Argumentation der Schweizer Regierung in den Verlautbarungen ihrer Energieministerin und neuerdings auch die der CEO der zwei grössten Energieunternehmen der Schweiz, Axpo und Alpiq:

  • AKW, zumindest die heute verfügbaren Typen, sind nicht sicher;
  • Die Problematik des nuklearen Abfalls ist nicht gelöst und
  • AKW rentieren nicht – niemand ist deshalb bereit, in neue AKW zu investieren.

Es gibt inzwischen eine ganze Flut von wissenschaftlichen Publikationen und starken Argumenten, welche diese vermeintlichen „Fakten“ zerzausen. Ich versuche hier auf contextlink.ch auch seit einiger Zeit, diese Argumente weiteren Leuten zumindest zugänglich zu machen.
Ich mag und kann hier nicht auf jeden dieser Kritik-Punkte detailliert eingehen. Der ehemalige Direktor des Bundeamtes für Energie, Eduard Kiener,  hat heute in einem Kommentar, den die Medien von CH Media heute fairerweise publiziert haben, die wichtigsten Argumente zusammengefasst.

Ich hoffe, dass nicht nur der Zürcher FDP-Präsident den Kiener-Kommentar lesen wird, sondern auch viele andere Schweizerinnen und Schweizer und nicht zuletzt auch die CEO von Alpiq und Axpo, Frau Kanngiesser und Herr Brand – und sich auch auf seine Argumente einlassen.

Was mich an der ganzen neuen Atomenergiediskussion zunehmend irritiert, ist die plötzliche, einseitige Fokussierung auf die Frage der Versorgungssicherheit. Sie hat zwar den positiven Nebeneffekt, dass man in der Schweiz nocheinmal über die Nutzung der Atomenergie diskutiert, aber sie lenkt ab von der eigentlichen Thematik/Problematik: Das übergeordnete Thema heisst DEKARBONISIERUNG, raus aus den fossilen Energien.

Die drohende Versorgungslücke (ab 2025) können kurzfristig weder ein neues AKW noch Gaskraftwerke lösen. Der einzige Weg scheint die Wasserkraft zu sein, über die von Bundesrätin Sommaruga vorgeschlagene Zwangsreserve in den Stauseen. Technisch ist diese Lösung möglich, aber ob sie politisch-wirtschaftlich zustande kommt, ist noch lange nicht sicher. Der Preis, den die Schweizer Stromunternehmen (Grossmehrheitlich im Besitz der Kantone!) dafür brauchen, wird sehr hoch sein. 

Neue AKW bringen für die kurzfristige Sicherung der Versorgung im Winter nichts, mittel und langfristig allerdings schon. Vorallem aber werden sie gebraucht, um mittel- und langfristig die Dekarbonisierung von Verkehr, Industrie und Gebäuden zu gewährleisten – und den Ausbau der neuen Erneuerbaren. Denn ohne die Basis des Bandstroms aus den AKW ist nicht nur die Winterstromversorgung gefährdet, sondern auch der dringend nötige Ausbau der Solar- und Windenergie.

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