Verlogener Eiertanz um AKW-Strom
„Die Schweizer AKW laufen, solange sie sicher sind.“ Das ist die Formel, auf wir uns in der Schweiz mit der Abstimmung zur Energiestrategie2050 geeinigt haben. Selbst die alte Atomenergiegegnerin und heutige Energieministerin Sommaruga verwendet diese Formulierung schon fast mantrahaft.
Inzwischen geht man in der Schweiz selbst beim Bund von einem Betrieb der Schweizer AKW von 60 Jahren aus. Eine nennenswerte Diskussion hat es dazu nie gegeben – ganz einfach, weil inzwischen selbst links-grüne Kreise verstanden haben, dass wir die Atomenergie noch so lange wie möglich brauchen, wenn wir nicht nur die CO2-Ziele bis 2050 erreichen wollen, sondern auch die Versorgungssicherheit der Schweiz nicht gefährden wollen. Selbst bei der BKW dämmert es, dass die frühzeitige Abschaltung des AKW Mühleberg ein Fehler war.
Inzwischen ist ja schon die Rede von 80 Betriebsjahren der AKW, wogegen zumindest bei den beiden grossen AKW Gösgen und Leibstadt technisch auch nichts spricht.
Die drei Schweizer AKW Beznau, Gösgen und Leibstadt laufen nach wie vor – und liefern zuverlässig und bei jedem Wetter grosse Mengen praktisch CO2-freien Strom. Das heisst gemäss der geltenden Formel: die AKW sind sicher – sonst dürften sie ja eben nicht mehr laufen. (Tatsächlich haben die Schweizer AKW auch internationale Checks mit Bravour bestanden).
Doch offenbar bezweifeln nach wie vor nicht nur links-grüne Kreise die Sicherheit der Schweizer AKW. Eben hat die SP wieder von einer „Hochriskotechnologie“ gesprochen. Und auch die FDP will nur „die rechtlichen Voraussetzung“ schaffen, um „bei Bedarf auch eine neue Kernkrafttechnologie“ zu erlauben, „sofern die Sicherheit jederzeit gewährleistet werden kann“.
Und um jeden Zweifel auszuräumen, hat FDP-Präsident Burkart noch ausdrücklich betont, man rede da von einer „weiterentwickelten Technologie“ also von einer neuen Generation AKW, welche zurzeit noch nicht auf dem Markt ist.
Fällt niemandem der Widerspruch dieser Politik auf?
Die Anlagen, welche in der Schweiz wohl noch während vielen Jahren laufenden werden, gehören zur alten AKW-Generation, welche zu gefährlich ist, um künftig weiter genutzt zu werden.
Die FDP hat an ihrer Delegiertenversammlung am Wochende dem Parteifrieden zuliebe – und wohl auch mit Blick auf eine breitere, potentielle Wählerschaft – einem „Kompromiss“ in der AKW-Frage zugestimmt. Das ist allerdings kein Kompromiss, sondern eine Botschaft, die der ursprünglichen Absicht der Parteileitung frontal widerspricht: Unsere laufenden AKW sind gefährlich.
Es ist peinlich, was für einen verlogenen Eiertanz die Schweizer Politik zurzeit um die Atomenergie aufführt.
Schlimmer noch: wenn diese Haltung der FDP ehrlich gemeint ist, ist sie verantwortungslos (genau wie die der SP und ihrer Bundesrätin Sommaruga oder der GLP oder der Mitte): Wenn tatsächlich nur die neue Generation von AKW dem Sicherheitsbedürfnis der Partei entspricht, wie kann die Partei dann ihren Wählerinnen und Wählern zumuten, dass sie noch lange weiter mit den AKW der unsicheren Generation leben müssen?
Okay: Dieser letzte Abschnitt ist wohl etwas heftig boulevardesk formuliert. Ich versuch’s etwas gesitteter nocheinmal:
Im Grunde ist die Haltung der FDP unehrlich (genau wie die der SP und ihrer Bundesrätin Sommaruga oder der GLP oder der Mitte): Niemand kann aufgrund einer faktenbasierten Analyse der Risiken der Atomenergie der Ansicht sein, dass die AKW eine echte Gefahr für die Schweiz darstellen. Wie könnte die Partei der Schweizer Bevölkerung zumuten, dass sie noch jahrzehntelang weiter mit den AKW der heutigen Generation leben muss? Der Ruf nach einer neuen Generation von AKW ist nur ein Feigenblatt, um das Fehlen einer nüchternen Analyse der Risiken zu kaschieren und sich der dringend nötigen Diskussion mit den verunsicherten Wählerinnen und Wählern stellen.
Der „Fall“ FDP zeigt, wie tief die Angst vor der Atomenergie, respektive die Angst vor der radioaktiven Strahlung, im Bauch der Schweizerinnen und Schweizer weit über grün-linke Kreise hinaus verwurzelt ist.
Warum uns das nicht zu verwundern braucht, werde ich in einem nächsten Artikel zu erklären versuchen.