Climate, Energy, Nuclear Energy

Klimawandel: Die CO2-arme Atomenergie bleibt schlecht genutzt

Village Children, Bangladesh (credit: wikicommons)

Die grosse Herausforderung der Menscheit heute heisst, den grossen Energiehunger von Milliarden Menschen im bisher minderprivilegierten „globalen Süden“ (inkl. China) zu stillen, ohne dabei die Zukunft der Menschheit als Ganzes zu gefährden. Die Lösung ist bekannt: raus aus den fossilen hin zu möglichst CO2-freien Energieträgern.

Keine andere Energiequelle scheint dabei geeigneter, einen wesentlichen Anteil zur Lösung des Problems beizutragen, als die Atomenergie. Sie ist nicht nur die sicherste, sondern auch die sauberste aller heute zur Verfügung stehenden Klimaenergien. Dank ihrer extremen Energiedichte braucht sie sehr wenig Rohstoffe, eine minimale Produktionsfläche und produziert nur sehr kleine Abfallmengen. 

Trotzdem spielt die Atomenergie in den Szenarien des Weltklimarats (IPCC) nur eine marginale Rolle mit einem Anteil von rund 10%. Als Grund nennt das IPCC in seinem jüngsten Report unter anderem die fehlende politische Akzeptanz „in einigen Ländern“:

„Nuclear power continues to suffer from limited public and political support in some countries.“ Und: „The public remains concerned about the safety risks of nuclear power plants and radioactive materials.“

Offenbar wird diese Skepsis gegenüber der Atomenergie auch von den einflussreichsten Kräften innerhalb des Weltklimarats geteilt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass die Atomenergie zwar in der ausführlichen Fassung des aktuellen IPCC-Reports in allen Szenarien einen Rolle spielt, in der Zusammenfassung für die Politik (Summary for the Policymakers) aber gar nicht vorkommt.
(Dies ist relevant, weil, wenn die zuständigen Politiker und die Journalisten, die über die Thematik schreiben, überhaupt etwas lesen, dann ist es diese Zusammenfassung).

 So marginal die Rolle der Atomenergie im Verhältnis zum gesamten Energiebedarf der Welt gemäss IPCC sein wird, bedingen die einkalkulierten 10 Prozent aber eine Verdoppelung der Atomstromproduktion gegenüber dem, was heute in den rund 440 AKW weltweit produziert wird. Dies bedarf aber den Bau von Hunderten von neuen Atomreaktoren.

Ich vermute, dass die Einschätzung des IPCC über die künftige Bedeutung der Atomenergie etwas veraltet ist. Weil der Entstehungsprozess eines IPCC Reports unendlich komplex und langwierig ist, hat die neusten Entwicklung mit der offensichtlichen Renaissance der Atomenergie in den letzten Jahren noch nicht Eingang in die Prognose der IPCC-Experten gefunden. Nicht nur China und andere aufstrebende Länder in Asien, Lateinamerika und Afrika setzen zunehmend auf die Nukleartechnologie, auch in den alten Industrieländern der „Ersten Welt“ ist die Atomenergie wieder eine reale Option (ausser im deutschsprachigen Raum) und für die USA ist sie spätestens mit dem russischen Krieg in der Ukraine auch wieder ein geostrategisches Mittel, das man nicht den Chinesen und den Russen überlassen möchte.

Trotz dieser kleinen Renaissance ist die Atomenergie aber weit davon entfernt, den Beitrag zur Deckung und gleichzeitigen Dekarbonisierung der Weltenergiebedarfs zu leisten, der angesichts der Klimaproblematik dringend nötig wäre. Die politische Behinderung und Marginalisierung der sauberen Atomenergie in den letzten 40 Jahren in den führenden Industrienationen ist nicht kurzfristig aufholbar und hat einen hohen Preis:
Die IAEA hat ausgerechnet, dass die Atomenergie im Zeitraum 1971-2018 insgesamt 74 Gigatonnen CO2 vermieden hat, was den kumulierten Emissionen des gesamten, weltweiten Stromsektors in den sechs Jahren von 2013 bis 2018 entspricht.
Man stelle sich vor, wir hätten die Zahl der AKW weiter vervielfacht, wie das ursprünglich in den 1970er Jahren die Idee war und hätten die Technologie laufend weiter entwickelt: zig-Millionen Menschen weniger wären an den Folgen der fossilen Luftverschmutzung gestorben und die Klimasituation und -perspektive sähe heute viel weniger dramatisch aus.


PS:
Auf die Gründe für die anhaltende Marginalisierung der Atomenergie werde ich in einen späteren Beitrag eingehen – und dabei nicht zuletzt auch auf die Rolle der internationalen Nuklearsicherheitsgemeinschaft.

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