Die Habsburger als Teil der elsässischen Identität

Die Stadt Ensisheim versteht sich neu als „Cité des Habsbourg“
Die meisten Elsass-Freunde wissen um die Bedeutung der Habsburger in der Geschichte des Elsass. Überall treffen wir auf ihre Spuren, vorallem im südlichen Elsass.
Wenn man aber mit den Elsässern redet, auch mit Gebildeten, stellt man fest, dass die allerwenigsten eine Ahnung von dieser, ihrer Geschichte haben.
An manchen Orten versuchen zwar lokale Geschichtsvereine die Erinnerung an die Habsburgerzeit zu pflegen, aber das offizielle Elsass – und im Hintergrund die zentrale Verwaltung in Paris – tut sich bis heute schwer damit; wohl nicht zuletzt, weil die Regentschaft der Habsburger an die langjährige Geschichte des Elsass als Teil der Kernregion des Deutschen Reichs und der deutschen Kultur erinnert.
Das manifestierte sich bis vor kurzem auch noch in Ensisheim, das immerhin während rund 200 Jahren (von 1427-1648) das Verwaltungszentrum der „österreichischen Vorlande“ war, zu denen das Oberelsass, der Breisgau, der Schwarzwald und die Städte den Rhein hoch (ohne Basel) bis Waldshut gehörten. Das sehr gut erhaltene „Regierungsgebäude“ (die „Régence“) aus dem 16. Jahrhundert mitten in der Stadt ist ein auffälliger Zeuge dieser doch mehr als bemerkenswerten Geschichte. Doch wer damals das hübsche historische Museum in der arg heruntergekommen wirkenden Régence besuchte, musste erstaunt feststellen, dass die Geschichte der Habsburger dort schlicht nicht stattfand.
Wer heute nach Ensisheim kommt, reibt sich die Augen: Die Régence ist prächtig renoviert und Besucher des Museums werden schon am Eingang von einer grossen Statue des Habsburgerkaisers Maximilian I. begrüsst. Ab Mitte Oktober findet in der Régence eine Sonderausstellung „Ensisheim und die Habsburger“ statt. Mitte November folgt ein internationales Kolloquium zum gleichen Thema.

Und im neusten Newsletter der Stadt ist die „Cité des Habsbourg“ das Hauptthema: „Mehr denn je“, schreibt Bürgermeister Michel Habig im Editorial, „ist Ensisheim eine Habsburgerstadt und legt Wert darauf, an ihr historisches Erbe zu erinnern, auf das wir stolz sein können.“ In Ensisheim ist die Habsburgergeschichte heute Politschwerpunkt des Bürgermeisters und der Stadtregierung.
Es ist nicht so, dass Ensisheim seine vorderösterreichische Vergangenheit bisher überhaupt nicht beachtet hätte. Die Stadt ist seit einigen Jahren Mitglied des Vereins „Via Habsburg“, der seit 2014 das Label „Kulturrouten des Europarats“ trägt. Grundidee der Via Habsburg, welche die Orte mit einer Habsburgergeschichte von Nancy bis Herceg Novi in Montenegro verbindet, ist die Nutzung dieses „gemeinsamen Erbes“ zur Förderung des Tourismus. Selbstverständlich erhofft sich auch die Stadt Ensisheim einen touristischen Nutzen von der jetzigen Initiative. Aber sie verfolgt ein anderes Ziel:
Ensisheim ist Teil der Gross-Agglomeration Mulhouse. Seit Jahren unternimmt die Stadtregierung Vieles, um dafür zu sorgen, dass Ensisheim nicht nur eine Schlafstadt ist, sondern ein Ort, an dem die Einwohner gerne leben und bleiben wollen. „Im Dienst der Bevölkerung“ hat man viel in die Infrastruktur (Freizeit, sichere Strassen, Schulen, etc.) investiert; jetzt sei es an der Zeit, auch in die inneren Werte zu investieren, sagt Jean-Pierre Bruyère, als Berater des Bürgermeisters zuständig für Kultur und Information. „Nous devons retrouver nos valeurs.“ Das „Patrimoine“ der Geschichte Ensisheims als „Hauptort“ von Vorderösterreich gehöre zur Identität der Stadt – und hoffentlich auch bald zur Identität ihrer Bürger.
Umso wichtiger ist die aktive Beteiligung der Ensisheimer Schulen an dem aktuellen Habsburgerprojekt im Herbst: Über 400 historisch kostümierte Kinder und Jugendliche werden im Rahmen der Sonderausstellung das präsentieren, was sie unter dem Motto „Retour au temps des Habsbourg“ in den vergangenen Monaten erarbeitet haben. Und über dieses Engagement der Schulen kommen auch die Eltern der Kinder in Kontakt mit der Habsburgergeschichte.
Das Projekt in Ensisheim hat durchaus auch etwas Aufmüpfiges, das immer wieder zum Vorschein kommt, wenn man ausgiebiger mit den Machern beim Geschichtsverein und der Stadtverwaltung spricht. Es ist auch eine Botschaft an „Paris“ und die anhaltende Zentralisierungspolitik der französischen Staatsverwaltung, die Besonderheit des Elsasses zu respektieren und zu akzeptieren, dass diese teils glorreiche, teils schmerzhafte „deutsche“ Geschichte zur Identität des Elsass gehört.
Die Habsburgerinitiative in Ensisheim erscheint vielversprechend. Doch die Stadtregierung muss noch beweisen, dass das aktuelle Projekt mit der Sonderausstellung und dem Kolloquium keine einmalige Sache bleibt. Dann besteht sogar die Hoffnung, dass das Ensisheimer Projekt ansteckend für andere elsässische Habsburgerorte ist.