Ein KI-Bild von Wilhelm von Hachberg

(produziert von ChatGPT auf der Basis von Vorgaben von Andrea Müller)
Ja, ich gehöre auch zu denen, die mit KI-herumspielen. Ich bin daran zu lernen, wie ich die Maschine bei meinen historischen Arbeiten nutzen kann. Bisher bin ich positiv überrascht. Sie hat mir zum Beispiel zwei, wie ich finde durchaus brauchbare Bilder von Wilhelm von Hachberg erstellt.1
Ich habe den Chatbot zunächst mit den nötigen Informationen gefüttert:
Es gibt nur drei historische Abbildungen, welche Wilhelm von Hachberg darstellen.2 Zwei davon sind erst nach dem Tod des Markgrafen (1482) von Gerold Edlibach gezeichnet worden (mehr dazu weiter unten).
Die einzige Darstellung von Wilhelm von Hachberg, die zu seinen Lebzeiten entstand ist, findet sich auf dem Wandbild über dem Grabmal von Wilhelms ältesten Bruder Otto, der 1410 bis 1434 Bischof von Konstanz war. Es muss gemäss den Kunsthistoriken noch vor dem Tod Ottos 1451 vom “Meister von 1445” (seinen richtigen Namen kennt man nicht) geschaffen worden sein und zeigt Wilhelm (arg verwittert) klein, unten rechts kniend:

Wilhelm von Hachberg auf dem Wandbild über dem Sarkophag von Bischof Otto III. von Hachberg im Konstanzer Münster
(Fotos und Montage Andrea Müller)

Ende des 19. Jahrhunderts hat der Kunsthistoriker und Trachtenmaler (!) Jakob Heinrich Hefner-Alteneck eine Skizze von der Darstellung Wilhelms angefertigt, als sie wohl noch in einem besseren Zustand war und er hat das Bild aufgrund der gefunden Farbreste koloriert.
Ich habe die Maschine aber “gebeten” nicht den Stil Hefners zu imitieren, sondern denjenigen des “Meisters von 1445”, wie er auch auf andern seiner Bilder zu sehen ist.
Weiter habe ich den Chatbot wissen lassen, dass es zum Aussehen Wilhelms nur zwei zeitgenössischen Angaben gibt: Ein Teilnehmer des grossen Kirchenkonzils, das damals in Basel tagte, der im Februar 1436 das Ritterturnier in Schaffhausen besuchte, schildert den jungen Markgrafen von Hachberg als “ein wohlgestalter” und “ein hübscher Mann”.3
Der spätere Papst Pius II. (damals noch unter seinem bürgerlichen Namen Enea Silvio Piccolomini), der als Sekretär eines italienischen Kardinals am Konzil teilnahm, beschrieb, wie Wilhelms blonde Haare im Wind flatterten, als er im Sommer 1441 das Pferd des Gegenpapstes Felix V. im Rahmen des Festumzugs zu dessen Inthronisation durch die Strassen der Konzilsstadt Basel führte.4
Schliesslich habe ich noch das kleine Video, das ich zur Situierung des Grabmals und der Wilhelmfigur auf dem Wandbild im Münster in Konstanz gedreht habe, hochgeladen.
Auf der Basis all dieser Informationen hat die Maschine mir dann erste, zunächst noch unbefriedigende Bildvorschläge generiert. Mit Hilfe meiner weiteren Wünsche/Anweisungen, ist dann zunächst das Bild im Titel dieses Blogbeitrags oben rechts mit Wilhelm im Alter von ca. 25 Jahren entstanden.
Dieses KI-Darstellung kommt dem Bild sehr nahe, welches in meinem Kopf in den letzten Monaten bei meinen Studien über Wilhelm von Hachberg entstanden ist.
Mehr Mühe hatte der Chatbot dann, auf der Basis dieses Bildes des 25-Jährigen eine Variante im Alter von zirka 40 Jahren zu generieren. Offenbar war mein Auftrag zu schwierig, nur das Gesicht älter werden zu lassen, aber den Rest der Figur unverändert zu lassen. Er hat immer wieder die ganze Figur geändert. Schliesslich habe ich mich mit dem vorliegenden Bild des zirka 40-jährigen Wilhelm von Hachberg zufrieden gegeben.
Ich höre in meinem Kopf bereits die Kritiken: “Ein solches Porträt ist doch nicht authentisch!” Dieser Einwand ist natürlich berechtigt, aber tatsächlich gilt das auch für fast alle Darstellungen historischer Personen. Denn die Künstler hatten damals gar nicht den Auftrag und die Absicht, ein möglichst reales Bild der darzustellend Person zu schaffen. Es war immer ein idealisiertes oder gar fantasiertes und oft geschöntest Bild.5
Dies gilt auch für die beiden anderen Darstellungen von Wilhelm von Hachberg: Sie wurden erst nach dem Tod Wilhelms von Gerold Edlibach für seine Zürcher Chronik gezeichnet. Beide Zeichnungen zeigen dieselbe Szene und es dürfte sich beim zweiten um eine Weiterentwicklung des ersten Bilds handeln: Hachberg diktiert ein Hilfegesuch an König Friedrich III. als er im Alten Zürichkrieg 1443 , den er im Namen und Auftrag des Königs im Bund mit der Stadt Zürich gegen die Eidgenossen führte, eingeschlossen war.
Auch dieses Bild habe ich im Chatbot hochgeladen, allerdings mit dem Hinweis, nicht Edlibachs Stil zu imitieren, sondern eben den des “Meisters von 1445”.


So gut es das Recht der spätmittelalterlichen Künstler und Chronisten war, ein Bild eines Protagonisten zu schaffen, das seinen oder den Vorstellungen seines Auftraggebers entsprach, können auch wir uns heute erlauben, ein Bild mit Hilfe der künstlichen Intelligenz auf der Basis unseres Wissens zu generieren. Es muss allerdings unser Ehrgeiz sein, dass dieses Bild so weit wie möglich, der Realität enstpricht, respektive, dass es auch Fachleute für „glaubwürdig“ halten, weil es eben mit den verfügbaren Informationen übereinstimmt.
Eine (vorläufige) Schlussbemerkung:
Bisher hängt die Qualität des KI-generierten Bildes offensichtlich stark von meinem Input ab – und wohl von den Fortschritten und Erfahrung, die ich mit der Art meines Inputs mache: wie gebe ich was für Aufträge in welcher Form und “Sprache” ein, die der Chatbot richtig versteht und die in seinem System zu brauchbaren Resultaten umgearbeitet werden können.
Allein die bisherigen Resulatet zeigen mir aber, dass der Chatbot sehr wohl ein nützliches Instrument für meine Arbeit sein kann. Wenn er jetzt auch noch zusätzlich wirklich eine eigene “Intelligenz” beifügt und Inhalte liefert, die ich ihm nicht vorher selbst eingegeben habe oder er gar eigene Schlüsse zieht (echte “added values”), wird er als Instrument richtig wertvoll sein.
- Ich habe hier auf Contextlink auch schon über Wilhelm von Hachberg geschrieben. Der Artikel ist aber Passwort-geschützt, weil ich ihn in Kürze in einer wissenschaftlichen Jahreszeitschrift publizieren kann. Wer ihn hier trotzdem lesen will, kann sich für das Zugangspasswort an mich wenden: andrea.mueller@contextlink.ch. ↩︎
- Das Fehlen von historischen Darstellungen von Persönlichkeiten aus dem ausgehenden Mittelalter ist im übrigen auch keineswegs ungewöhnlich und kein Indiz für deren Bedeutungslosigkeit. Auch von vielen andern wichtigen Persönlichkeiten aus der Zeit von Wilhelm von Hachberg gibt es keine solchen Darstellungen. ↩︎
- Karl Stehlin: “Ein spanischer Bericht über ein Turnier in Schaffhausen im Jahr 1436”, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 1915, S. 168/169; online hier. ↩︎
- “Regesten der Markgrafen von Baden und Hachberg”, hg. von der Badischen Historischen Kommission, Band 2, bearb. von Heinrich Witte, Innsbruck 1901. ↩︎
- Siehe dazu auch die Ausführungen im Blog Histo/Faber “Awch behelt daz gemell dy gestalt der menschen […]”. ↩︎