Energy, Nuclear Energy, Schweiz

Die Aufhebung des Neubauverbots für AKW allein ist wenig wert.

Bau KKW Leibstadt (Bild: KKL)

Aus aktuellem Anlass (Lancierung der Initiative für neue AKW) poste ich nochmal meinen Artikel vom vergangenen Februar:

Zurzeit erschallt der Ruf nach einer Aufhebung des Neubauverbots von AKW in der Schweiz.
Die SVP verlangt schon länger die Streichung des entsprechenden Paragraphen in der Kernenergiegesetzgebung. Die FDP wird an ihrer Delegiertensammlung vom 12. Februar darüber diskutieren.
Man kann davon ausgehen, dass ein entsprechender politischer Vorstoss in Kürze eingereicht und im Rahmen der Frühjahrs- oder Sommersession im Nationalrat beraten wird.
Falls das Parlament das Neubauverbot (Artikel 12a, Kernenergiegesetz) nicht aufhebt, wovon auszugehen ist, will der Energieclub Schweiz eine entsprechende Initiative lancieren.

In der Schweizer Polit- und Medienszene herrscht deswegen ziemliche Aufregung. Ich kann nur halbwegs verstehen, warum. Denn eine blosse Aufhebung der Neubauverbots bringt noch lange keine neues AKW.

Das sagt Energieministerin Simonetta Sommaruga:
„Ich habe mit der Branche gesprochen. Kein Unternehmen plant Investitionen in die Atomkraft.“

Und die Chefin der Alpiq, Antje Kanngiesser hat dies umgehend bestätigt:
“Ohne massive staatliche Hilfe wird sich kein Unternehmen und kein Investor finden, um ein neues Kernkraftwerk zu bauen.“

Die beiden mächtigen Frauen haben recht: Unter den aktuellen, politischen und rechtlichen Bedingungen will in der Schweiz heute niemand in ein neues AKW investieren.
Was es bräuchte, ist eine Veränderung der Bedingungen für den Bau von AKW in der Schweiz.

Die Alpiq-Chefin lässt mit der Relativierung ihrer Aussage „ohne massive staatliche Hilfe“ eine kleine Tür offen. Tatsächlich leisten alle Staaten dieser Welt, welche die praktisch CO2-freie Atomenergie als Teil der Lösung der Klimaproblematik akzeptieren, „Hilfe“ (Unterstützung) für die Atomenergie in irgendeiner Form.

Wenn der Bund oder die Kantone, welche die AKW in der Schweiz besitzen, zum Beispiel potentiellen Investoren ein Darlehen mit tiefen Zinsen für ein Neubauprojekt geben würden, würden wohl Investoren aus dem In- und Ausland Schlange stehen. Denn, ist das AKW einmal gebaut, kann man mit dem Atomstrom heute und in Zukunft viel Geld verdienen.
China, zum Beispiel verfolgt genau diese Politik: 70% der Kosten für ein neues AKW werden mit einem staatlichen Darlehen mit einem minimalen Zins finanziert. China plant und baut in den nächsten Jahren 150 neue AKW.
Denkbar wäre auch der englische Weg: Der Staat garantiert der Investorin/Betreiberin des neuen AKW Hinkley Point C einen fixen Abnahmepreis von rund 11 Euro-Cents (2012) pro produzierte Kilowattstunde Strom, inflationsbereinigt über 35 Jahre.

Viel wichtiger wäre aber eine andere „Hilfe“ des Staates, welche mit grosser Wahrscheinlichkeit Sponsoren auch ohne finanzielle Absicherung des Staates mobilisieren würde:
Die Straffung des Bewilligungsverfahrens – wie es Bundesrätin Sommaruga aktuell für Wasserkraft- und Windanlagen plant:

Für bedeutende Wasserkraft- und Windkraftanlagen soll es ein konzentriertes Bewilligungsverfahren geben. Beschwerden sollen weiterhin möglich sein. Doch nur einmal und nicht in jedem Verfahrensschritt.“

Im Umfeld der Energieministerin, im zuständigen Bundesamt für Energie und in ihrer Partei , der SP, hat man jetzt offenbar verstanden, dass die erhofften und dringend benötigten Ausbauziele der erneuerbaren Energien nur erreicht werden können, wenn die Bedingungen (die Verfahren zur Bewilligung) und die gesetzlichen Auflagen für den Bau der Energieanlagen gestrafft werden.

Es gibt keinen Grund, warum das nach einer Aufhebung des Bauverbots nicht auch für AKW (und Gross-Solaranlagen) gelten soll.

Für potenzielle Investoren ist nicht die Menge des Geldes, die benötigt wird, um ein AKW zu bauen, das Problem (weltweit), sondern die “Kapitalkosten” – der Zins, den die Banken für das Geld verlangen, das die Investoren bei ihnen leihen. Dieser Zins ist abhängig von dem Risiko, dass der Kreditnehmer das geliehene Geld nicht rechtzeitig und vollumfänglich an die Bank zurückzahlen kann, weil sich das Projekt z.B. wegen komplizierten Bewilligunsgverfahren verzögert, dadurch verteuert oder im schlimmsten Fall sogar scheitert.

Das bedeutet, ein Investor muss während langen Jahren jährlich Millionen an Zinsen an die Bank zahlen, bevor das AKW fertig gebaut ist und er damit auch nur einen Rappen Geld verdient.

Und das Investitionsrisiko ist unter den aktuellen Bedingungen in der Schweiz sehr gross: Es gibt in der Schweiz keinen Rechtsanspruch auf eine nukleare Bewilligung. Verzögerungsbedingte Kosten gehen deshalb immer zulasten des Projektanten. Falls beispielsweise ganz zum Schluss des Entwicklungsprojektes die Betriebsbewilligung verweigert wird, verliert der Projektant das gesamte Geld, das er für den Bau des fix-fertigen AKW ausgegeben hat. Das Risiko, nach 10 bis 20 Jahren Projektierungs- und Bauzeit mehrere Milliarden entschädigungslos zu verlieren, wird kein vernünftiger Investor eingehen.

Diese Rechtsunsicherheit ist in der Schweiz das grösste Problem bei der Finanzierung eines AKW.

Defacto ist das seit 2018 gültige Neubauverbot eigentlich überflüssig: das dreistufige Bewilligungsverfahren, welches das Kernenergiegesetz im Artikel 12a des Schweizer Kernenergiegesetzes verlangt, sorgt auch ohne das explizite Neubauverbot dafür, dass in der Schweiz kein neues AKW mehr gebaut wird.

Deshalb: Eine Volksinitiative (oder ein parlamentarischer Vorstoss) erreicht ihr Ziel nur in Verbindung mit dem Beschluss eines einstufigen Bewilligungsverfahrens – im folgenden Sinn:

  • Mit der Rahmenbewilligung erhält der Bewilligungsinhaber gleichzeitig auch das Recht für den Bau und den Betrieb der Anlage.
  • Selbstverständlich ist die Erteilung der Rahmenbewilligung an klare Auflagen gebunden, welche in einem ordentlichen politischen Prozess definiert und beschlossen werden müssen.
  • Gegen die Erteilung der Rahmenbewilligung sind Einsprachen möglich (inkl. Volksabstimmung).
  • Nach Erteilung der Rahmenbewilligung sind keine Einsprachen durch Dritte mehr möglich.
  • Die Einhaltung der Auflagen wird von den zuständigen staatlichen Behörden kontrolliert.

Mit diesem Layout beschränkt sich das Risiko der Investoren auf die Projektierungskosten, welche bis zur Rahmenbewilligung anfallen. Bei einer Ablehnung der Rahmenbewilligung verlieren die Investoren allerdings auch mehrere hundert Millionen.
In diesem Bereich wäre über eine staatliche “Hilfe” nachzudenken, wie das Holland gemäss seinen Plänen für den Bau von zwei neuen AKW vorsieht.

Ein faires, einstufiges Verfahren gewährleistet, dass ein neues AKW ohne massive Bauzeit- und Kostenüberschreitung gebaut werden kann.
Weil die Betriebskosten eines AKW relativ günstig und die Prognosen für die mittel- und langfristige Strompreisentwicklung vielversprechend sind, dürfte es unter den skizzierten Bedingungen kein Problem sein, ein neues AKW rentabel, respektive gewinnbringend zu betreiben.
Entsprechend wird sich wohl auch ein Unternehmen oder ein Investor finden, der ein neues Kernkraftwerk bauen will – auch ohne “massive staatliche Unterstützung”.

Die eigentliche Bauzeit für ein neues Schweizer AKW dürfte nach der Erteilung der neuen, gestrafften Bewilligung 5 bis 8 Jahre dauern. Die Gesamtkosten für die Planung und den Bau dürften zwischen 7 und 10 Milliarden Franken liegen:
Das neue russische AKW in Finnland Hanhikivi wird 7.5 Milliarden Euro kosten. Die Chinesen und Koreaner bauen etwas günstiger, die Franzosen teurer.

Fazit:
Wenn der politische Wille vorhanden ist, kann die Schweiz bis in 10 Jahren ein neues Atomkraftwerk betreiben.

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